Controlling

Standpunkt (Zeitschrift Accounting Juni 2004)

IFRS bedarf der Führungsrolle des Controlling

Die Umstellung der Rechnungslegung auf internationale Standards (International Financial Reporting Standards – IFRS; früher IAS) ist schon viel diskutiert und beleuchtet worden. An dieser Stelle möchte ich einen Aspekt hinzufügen, der mir bisher zu kurz gekommen scheint: die Rolle des Controllings. Auch wenn die Controller die Entwicklung ein wenig verschlafen haben, so werden sie durch die IFRS über kurz oder lang immer mehr in eine Führungsrolle gedrängt werden, wenn das Rechnungswesen insgesamt nicht seine Glaubwürdigkeit als Lieferant verständlicher, entscheidungsgerechter und frühzeitiger Steuerungsinformationen für das interne Management verlieren will. Für diesen Standpunkt sprechen eine Vielzahl von Gründen, von denen ich vier wesentliche herausgreifen will:

Ausgaben für Wirtschaftsgüter dürfen nur dann als Assets verbucht werden, wenn ein zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen angenommen werden kann. Die Einschätzung von Zukunftserwartungen gehört normalerweise zu den Aufgaben des Investitions-Controlling; die Buchhaltung ist klassischerweise damit nicht befasst.

Nach den Regeln der IFRS muss eine Segment-Berichterstattung aufgebaut werden, die auf der Vollkosten-Rechnung beruht. Damit ist die Problematik von Umlagen verbunden, die zu Fehlinformationen über die Rentabilitäts-Strukturen eines Unternehmens führen und damit notwendigerweise – sofern wir diesen Informationen folgen – Fehlallokationen von Ressourcen nach sich ziehen. Dieser Gefahr können wir nur entgehen, wenn der Segment-Berichterstattung durch das Controlling eine stufenweise und umlagenfreie Deckungsbetragsrechnung zur Seite gestellt wird. Dann aber sollte die externe Rechnungslegung – soweit das möglich ist – dieser Orientierung folgen und nicht umgekehrt.

Sofern wir einen Impairment – Test durchführen müssen, fordern die IFRS neben der Segment-Berichterstattung eine Abgrenzung von Cash Generating Units (CGU’s). Hier ist das Controlling mehrfach gefordert. Zum einen geht es um die Passfähigkeit der IFRS -strukturen untereinander und mit den bestehenden Strukturen des Unternehmens. Die Segmente bilden meistens die Geschäftsfelder unseres Unternehmens ab. Die CGU’s setzen die Zuordnung durchgängiger Zahlungsströme voraus. Das ist nicht unbedingt deckungsgleich. Zum anderen ergeben sich Schwierigkeiten, wenn die bisherige Struktur z.B. auf Profit-Center ausgerichtet ist, weil die Abgrenzung der Profit-Center sich oft weder mit den Geschäftsfeldern noch mit den von der Buchhaltung abgebildeten Zahlungsstrom-Bereichen deckt. Schließlich werden unsere Unternehmen immer stärker in übergreifende Netzwerke eingebunden (Lieferanten-Ketten, Kunden-Gemeinschaften), die ebenfallls den Segment- und CGU-Strukturen nicht notwendigerweise entsprechen. In der Praxis lassen sich diese Widersprüche mit den Möglichkeiten der Rechnungslegung nicht auflösen. Hier kann nur das Controlling durch begleitende Rechnungen für die erforderliche Transparenz sorgen (Stichworte: SCM, CRM). Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Strukturen der Rechnungslegung – die Gestaltung des Kontenplanes beispielsweise sollte aus dieser übergreifenden Sicht erfolgen.

Die IFRS ermöglichen eine Vielzahl erfolgswirksamer Buchungen, denen keine adäquaten Zahlungsströme gegenüberstehen. Hier sei stichwortartig nur auf die Aktivierung von unrealisierten Gewinnen aus unvollendeten Projekten (Prercentage of completion Methode) oder von Entwicklungskosten ab Vorliegen eines Prototyps oder von bestimmten Optionen verwiesen. All diese Regeln haben ihre Berechtigung. Aber sie führen dazu, dass nur noch Experten aus den Daten der Rechnungslegung erkennen können, ob unser Unternehmen unter dem Strich sowohl periodenbezogen als auch kumulativ Geld verdient oder vernichtet hat. Erschwert wird der Durchblick noch dadurch, dass wir für eine geraume Zeit mit wenigstens drei verschiedenen Rechnungslegungen konfrontiert werden – dem IFRS – Abschluss für die internationale Berichterstattung; dem HGB-Abschluss für das nationale Gesellschaftsrecht und dem steuerlichen Abschluss für das Finanzamt. Und wer an der amerikanischen Börse notiert ist, darf noch einen Abschluss nach US-GAAP dazugeben.

Das Cashflow Statement hilft in dieser Frage nur bedingt, da es normalerweise retrograd erstellt wird und daher die Besonderheiten der Einzelbuchungen nur unvollständig nachvollzieht. Außerdem vermittelt es durch seine perioden- und unternehmensbezogenen Begrenzungen kein wahres Bild der Situation.

Erst in der kumulativen Betrachtung zeigt sich der reale Saldo aus Einnahmen und Ausgaben. Und gleichzeitig benötigen wir Aussagen sowohl über die internen Strukturen der Zahlungsströme als auch jene der externen Verflechtung, um uns einen realistischen Überblick zu verschaffen. All diese Informationen kann nur das Controlling aufbereiten.

Wir müssen uns als Controller dieser Herausforderung stellen. Das setzt eine intensive, also auch entsprechend aufwändige Beschäftigung mit den IFRS voraus. Denn wir benötigen in den für uns relevanten Fragen eine ausreichende Kenntnis der Regelungen. Zugleich aber eröffnet die Umstellung auf IFRS uns die große Chance, bei der Anpassung an die Internationalisierung der Rechnungslegung eine führende Rolle zu übernehmen und damit die strategische Position des Controllings nachhaltig zu verbessern. Wir sollten diese Chance nutzen.

Informationen über die Zeitschrift Accounting erhalten Sie unter http://www.haufe.de